Fitter, williger, effizienter: Der seit diesem Sommer von Kurt Kobel trainierte FC Herrliberg dominiert den Sportclub Zollikon über weite Strecken – und muss am Ende doch noch etwas um den Sieg bangen.

Von Dennis Bühler

Als Kurt Kobel vor zweieinhalb Monaten letztmals nach Zollikon reiste, ging es für seine Spieler um alles: Mit dem 1:1-Ausgleichstreffer in der 90. Minute stellte sein FC Männedorf die Weichen endgültig in Richtung Aufstieg in die 2. Liga (den der Seeklub einige Tage später dann auch tatsächlich feiern konnte). Die Affiche gestern Sonntag war damit nicht zu vergleichen – nicht nur, weil Kobel im Sommer einige Kilometer weiterzog und nun als Trainer den FC Herrliberg betreut. Sondern auch, weil es spürbar um weit weniger ging: Zu jung ist die Saison, zu wenig Konturen hat die Tabelle, zu untrainiert und wenig eingespielt war insbesondere Gastgeber Zollikon.

Doch der Reihe nach: In der ersten halben Stunde hatte Herrliberg deutliche Vorteile zu verzeichnen, ohne jedoch zu mehr als einer klaren Torchance zu kommen. Diese freilich nutzte Flavio Oertig abgeklärt. Nach einer Flanke von Andrin Lustgarten war er vor SCZ-Goalie Daniel Erne am Ball und lenkte diesen mit dem Fuss ins verlassene Tor.

Felder trifft vom Elfmeterpunkt

Mit der beruhigenden 1:0-Führung im Rücken zogen sich die Gäste etwas zurück, womit die Zolliker nun mehr Raum zur Entfaltung vorfanden. In der 28. Minute aber scheiterte erst Sandro Camichel, dessen Nachschuss nach einem durch einen Herrliberger Verteidiger geblockten Schuss Andrea Schärers zu schwach geriet und Torwart Michael Lichtin deshalb keine Mühe bereitete. Und kurz vor dem Pausenpfiff setzte SCZ-Stürmer Kevin Spalinger einen Kopfball nach einem Eckball knapp neben das Tor.

Auch in der zweiten Halbzeit erwischte Herrliberg den besseren Start: In der 52. Minute schoss Sturmtank Diego Würmli aus 20 Metern, Erne liess den tückischen Aufsetzer zur Seite abprallen und Lukas Dangel schob aus spitzem Winkel zum 2:0 ein. Der SCZ, der sich für den zweiten Durchgang so viel vorgenommen hatte, brauchte eine Weile, bis er den Schock verdaut hatte. Sein schönster Angriff brachte ihm nach gut 70 Minuten über Umwege den Anschlusstreffer ein: Matteo Felder nutzte einen rasch ausgeführten Freistoss zum Seitenwechsel, die indisponierte Herrliberger Abwehr liess einen Doppelpass Schärers mit Spalinger zu, und der letzte verbliebene Verteidiger vor Goalie Lichtin konnte den wirbligen Zolliker Flügel nur mit einem Foulspiel stoppen. SCZ-Captain Felder verwertete den fälligen Strafstoss souverän.

Trainingseifer versus Ferienfreuden

In den Schlussminuten warf Zollikon alles nach vorne und tauchte bei Standardsituationen einige Male gefährlich vor dem Herrliberger Gehäuse auf. Allzu viel Glück aber mussten die Gäste nicht beanspruchen – zu hektisch und zu wenig einfallsreich trugen die Zolliker ihre Angriffe vor. „Ich bin ein wenig enttäuscht von der Leistung unseres Gegners“, sagte Kobel nicht ohne Grund. „Aus Erfahrung weiss ich, dass der SCZ viel mehr kann, als er in diesem Startspiel zeigte.“ Ziemlich frustriert war sein Gegenüber, Zollikons Trainer Christian Stengele (oben im Bild): „Ich sah eine Mannschaft, die hohe Ziele verfolgt und hierfür in den letzten Wochen rackerte, und eine, die lieber den Sommer genoss und Ferien machte“, sagte er. „Das gab den Ausschlag zugunsten der stark aufspielenden Herrliberger.“

Tatsächlich: Während Kobels Spieler in den vergangenen zwei Monaten drei Mal wöchentlich trainiert hatten, am Sonntag vollzählig anwesend waren und die Spielphilosophie ihres neuen Trainers bereits erstaunlich gut umzusetzen wussten, hatten sich mehrere Zolliker Spieler erst in der Woche vor dem ersten Saisonspiel im Trainingsbetrieb zurückgemeldet oder fehlten gar noch.

In den nächsten Wochen verreisen weitere Teamstützen in die Ferien. So wird’s selbstredend schwierig, die unverändert hohen Saisonziele zu erreichen: Die 1. Mannschaft möchte sich wenn möglich unter den ersten drei Mannschaften, sicher aber in der vorderen Tabellenhälfte klassieren. In Erinnerung gerufen sei ihr: Auf Glück hoffen sollten nur die Tüchtigen!

Telegramm

SC Zollikon – FC Herrliberg 1:2 (0:1).

Riet, 140 Zuschauer.

Tore: 21. 0:1. 52. 0:2. 72. Felder (Penalty) 1:2.

SCZ: Erne; Oechslin, Mioc, De Nard (68. Dugandzic), Martin; Oettli (73. Glarner), Felder; Camichel, Y. Rämi (84. Gubler), A. Schärer; Spalinger.

FCH: Lichtin, Avolio (77. Carlson), Furrer, Siegrist, Lustgarten; Al Obadi (86. Vizner), Oertig (46. Dangel, 77. Dimitrovski), Ledergerber, Schuhmacher (73. Perucchini), Linder (30. Würmli, 73. Oertig), Dimitrovski (46. Linder, 81. Grimm).

Bemerkungen: 83. Tor Herrliberg wegen Abseits aberkannt. Gelbe Karten gegen Linder, Avolio, Oertig (alle wegen Foulspiels) sowie Dugandzic (Reklamieren). SCZ ohne Lionzo und Salih (beide gesperrt), Fuchs (Militär), Landolt (Ferien) und Nashid, Scheidegger und Schmid (Einsatz bei den A-Junioren). Beim SCZ nicht eingesetzt: O’Brien, Bühlmann, Montezin, M. Schärer.