Christian Stengele, Trainer der 1. Mannschaft des Sportclubs Zollikon, spricht im grossen Interview mit www.sczollikon.ch über seine Ziele in der kommenden 3.-Liga-Saison. Zudem erklärt der 31-Jährige, warum er bei seinen Spielern manchmal den Biss vermisst, in welcher Situation er einen Rücktritt erwogen hat und weshalb er einen Vereinswechsel zumindest in absehbarer Zukunft nicht anstrebt.

Mit Christian Stengele sprach Dennis Bühler

Christian Stengele, kommenden Sonntag beginnt mit dem Cup-Erstrundenspiel gegen den FC Wollerau die neue Saison. Welches Ziel haben Sie sich gesetzt?

Der SC Zollikon spielt seit sieben Jahren in der 3. Liga. Seither konnten wir mehrere Saisons vorne mitspielen. Weil der Verein auch in den kommenden Jahren mindestens in der 3. Liga auflaufen möchte, ist das Heranführen junger Spieler an die 1. Mannschaft meine wichtigste Aufgabe. Ein Generationenwechsel naht – auf ihn gilt es sich vorzubereiten.

Was heisst dies für die kommende Saison?

Wir werden zwar auch in der kommenden Saison versuchen, so lange wie möglich vorne mitzuspielen – doch nicht um jeden Preis. Unsere 3.-Liga-Gruppe ist stark, wir freuen uns auf interessante Spiele wie zum Beispiel das Derby gegen Küsnacht und hoffen auf zahlreiche Unterstützung. Natürlich wäre es schön auch wieder mal im Cup zu überwintern; doch hat dies nicht Priorität.

«Vielleicht hat es mal so eine Saison gebraucht, damit wir wieder hungriger werden»

Wie sind Sie zufrieden mit der vergangenen Saison 2017/18?

Das sehr knappe Verpassen des Aufstiegs zum Ende der vorletzten Saison setzte uns zu, die Enttäuschung war riesig – entsprechend verlief auch die letztjährige Sommervorbereitung. Kurz: Die Luft war draussen. Die Trainingspräsenz war miserabel, und wir verloren unseren Rhythmus. Hinzu kam, dass auch während der Saison immer wieder etliche Leistungsträger fehlten. Dafür konnten sich die jungen Spieler gut entwickeln und kamen regelmässig zum Einsatz. Mein Fazit: Vielleicht hat es mal so eine Saison gebraucht, damit wir wieder hungriger werden.

Immerhin: Im Frühling konnte sich Ihr Team vom 7. auf den 5. Tabellenrang steigern.

Das ist so – die Rückrunde war nicht so schlecht. Allerdings spielten wir auch ohne Druck, da es für uns ohnehin nur noch um die «goldene Ananas» ging… Es wäre toll, wenn wir in diesem Sommer nun schon zum Meisterschaftsbeginn auf Augenhöhe mit den anderen Mannschaften wären.

«Die Mannschaft ist näher zusammengerückt und hat wieder Freude und Biss»

Wie sind Sie mit der Vorbereitung zufrieden?

Wir haben uns entschlossen, keine Trainingspause einzulegen, damit die in der vergangenen Saison erlangte Grundfitness nicht verloren geht. Dies dürfte uns in den kommenden Wochen helfen. Höhepunkt der Vorbereitung war ein Trainingsweekend in Bergün: Am Samstagvormittag wanderten wir an den wunderschönen Palpuognasee und weiter nach Preda, von wo es mit Trottinetts zurück nach Bergün ging. Die Badehosen eingepackt, fuhren wir nach Alvaneu, um uns mit einem warmen Bad zu entspannen. Am Abend fuhren wir zum Abendessen mit dem Sessellift auf den Darlux. Am Sonntag füllten wir die Mägen mit einem feinen Brunch, bevor wir für ein Testspiel nach Celerina aufbrachen. Während der ersten Halbzeit konnten wir gegen den Viertligisten trotz schweren Wanderbeinen gut mithalten, danach verliessen uns die Kräfte. Zum Glück wurden wir nach dem Spiel vom Gastgeber bestens verpflegt, sodass einige Stunden später alle müde und zufrieden und mit schönen Eindrücken wieder in Zollikon angekommen sind. Die Testspiele gegen Drittligist Wollishofen (1:3) und Zweitligist Seefeld (4:4) haben mir gut gefallen. Ich habe das Gefühl, die Mannschaft ist wieder näher zusammengerückt, und ich spüre, dass die Mannschaft wieder Freude und Biss hat. Deshalb freue ich mich auf die neue Saison.

Weil Jure Mioc seine Aktivkarriere beendet hat, müssen Sie den bisher unangefochtenen Abwehrpatron ersetzen – alles andere als eine einfache Aufgabe.

Jure wird uns auf und neben dem Platz fehlen: Er war ein Spieler mit sehr viel Ehrgeiz und Biss – von seiner Art konnten einige Spieler profitieren. Nun können und müssen sie selber Verantwortung übernehmen. Wir haben grosses Glück, dass Tomas Hermida nach einem Jahr als Spielertrainer der 2. Mannschaft zu uns zurückkehrt. Seine Aufgabe ist es nun, unsere Abwehr zu organisieren.

Hermida ist nicht die einzige Verstärkung.

Das stimmt. Unser Kader hat in der Sommerpause an Breite gewonnen: Mit Valentin Kälin und Kevin Rocha sind aus dem «Zwei» zwei talentierte Flügelspieler zu uns gestossen. Zudem trainiert schon seit einigen Monaten Julian Ferchow bei uns mit. Er ist aus Deutschland in die Schweiz gekommen und ist nun spielberechtigt. Julian wird unseren Sturm verstärken. Nicht vergessen sollten wir zudem, dass mit Joel Fuchs ein talentierter Offensivspieler aus einer monatelangen Verletzungspause zurückkehrt: Bei ihm ist es wichtig, dass er langsam aufgebaut wird – erst dann kann er die Mannschaft verstärken. Eventuell wird noch ein Torhüter aus Österreich zum Team stossen.

«Nichts hat mich mehr gefreut als die Fortschritte der A-Junioren Montezin, Glarner und Schmid»

Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit den A- und B-Junioren vor?

Junge Zolliker Spieler sollen mit der 1. Mannschaft trainieren und möglichst auch in den Spielen eingesetzt werden, das ist mir enorm wichtig. Nichts hat mich in der zurückliegenden Spielzeit mehr gefreut als die Fortschritte der A-Junioren Jesper Montezin, Calvin Glarner und Dimitri Schmid. Mit den neuen Spielern und den aufstrebenden Junioren haben wir eine gute Mischung im Team. Sie bringen frischen Wind in die Mannschaft.

Neu formiert haben Sie in der Sommerpause auch Ihr Trainerteam.

Genau. Lutz Streitenbürger bringt sehr viel Erfahrung mit, die Mannschaft und ich können nur profitieren. Ich freue mich sehr, dass er mit uns die neue Saison bestreitet. Ebenfalls als Co-Trainer agieren wird Yves Rämi, der aber auch noch selbst spielen wird.

Plagen Ihr Team Verletzungssorgen?

Leider ja: Mit Severin Oechslin fällt ein wichtiger Spieler für die gesamte Vorrunde aus. Ich wünsche ihm für seine Oberschenkel-Operation viel Glück und eine gute Genesung.

«Wir haben an Tempo verloren – wir agierten oft zu passiv und mit zu wenig Leidenschaft»

Sie starten nun in Ihre fünfte Saison als «Eis»-Trainer. Wo sehen Sie für Ihr Team noch Entwicklungspotenzial?

Spielerisch gehörten wir in allen vier Saisons zu den stärksten zwei, drei Mannschaften der Liga. In der letzten Saison haben wir allerdings an Tempo verloren – wir agierten oft zu passiv und mit zu wenig Leidenschaft. Wir müssen auch wieder schneller die Räume in der Tiefe suchen.

Wie erklären Sie sich diesen Rückschritt?

Letzte Saison war die Trainingspräsenz mangelhaft. Zudem mussten wir die meisten Trainingseinheiten auf lediglich einer Platzhälfte durchführen, dabei kam das Spiel in die Breite und in die Tiefe zu kurz. Da müssen wir ansetzen.

Sie haben vorhin erwähnt, dass die Mannschaft in der vergangenen Saison den Biss vermissen liess. Weshalb war dies so?

Die Mannschaft hat eine Art Pause gebraucht. Ich glaube, dass uns dieses Jahr gut getan hat: Die Leidenschaft ist in den letzten Wochen zurückgekommen. Viele meiner Spieler sind nun im besten Fussballalter. Wenn sie den Biss und ihre Qualität in die Saison mitbringen, werden wir viel Spass haben.

«Ich war nie der beste Spieler, trotzdem konnte ich in der 1. Liga spielen – mit Willen kann man vieles erreichen»

Wie fest ärgert es Sie, wenn Ihren Spielern der Biss fehlt?

Ich habe der Mannschaft ab und zu schon gesagt, dass ich nie der beste Spieler war. Trotzdem konnte ich mehrere Saisons in der 1. Liga spielen. Mit Willen kann man vieles erreichen und auch gewisse Defizite kompensieren.

Haben Sie sich während der vergangenen, insgesamt missratenen Saison nie überlegt, das Amt niederzulegen?

Ganz ehrlich, zum Beginn der vergangenen Saison war die Situation für mich sehr schwierig. Ich hatte nach dem Fällanden-Spiel kurz solche Gedanken (wegen des 1:2-Gegentreffers in der 94. Minute verlor Stengeles Team am 10. September 2017 sein drittes der ersten vier Saisonspiele, Anmerkung der Redaktion).

Eine 3.-Liga-Mannschaft zu trainieren, ist wenig lukrativ: Sie haben viel zu tun, erhalten dafür aber nur eine bessere Spesenpauschale. Hand aufs Herz: Weshalb tun Sie sich das seit bald einem halben Jahrzehnt an?

Die Mannschaft ist mir sehr ans Herz gewachsen und die Entwicklung der jungen Spieler bereitet mir sehr viel Freude. Fussball ist ein Teil meines Lebens, das ist Leidenschaft und hat mit Geld nichts zu tun. Zudem hat die Mannschaft noch immer sehr viel Potenzial: Die Spieler müssen nur noch etwas mehr an sich glauben. Da ist wirklich Qualität vorhanden, und es macht unheimlich Spass eine solche Mannschaft zu trainieren.

«Egal in welcher Liga, letztlich gilt: Die Aufgabe muss Spass machen»

Dann planen Sie keine Karriere im Regionalfussball?

Ausschliessen will ich das nicht: Mich würde es durchaus reizen, mal ein Zweitligateam zu betreuen – nur schon, weil dort die Strukturen professioneller sind und es sich die Spieler weniger leisten könnten, während der Saison in die Ferien zu verreisen (schmunzelt). Zollikon ist meine erste Trainerstation und ich muss noch ganz viel lernen, um überhaupt jemals eine 2.-Liga-Mannschaft trainieren zu können. Egal in welcher Liga, letztlich gilt: Die Aufgabe muss Spass machen. Ich möchte hinter der Sache stehen können, dann spielt es keine Rolle, ob ich Junioren oder Aktive in der 3. oder 2. Liga trainiere.

Ziehen Sie einen baldigen Vereinswechsel in Betracht?

Nein. Ich weiss, was ich beim Sportclub Zollikon habe: Als ich vor zehn Jahren beim FC Seefeld in der 1. Liga spielte, stellten sich mir jeden Sommer etliche neue Mitspieler vor. Ich schätze sehr, dass es beim SCZ anders zu- und hergeht. Auf dem Riet ist etwas herangewachsen, wir sind eine echte Familie geworden, in der ich mich sehr wohl fühle.


 Zur Person

Christian Stengele ist gebürtiger Zolliker und seit Sommer 2014 Trainer der 1. Mannschaft des Sportclubs Zollikon. Unter seiner Leitung verpasste das Team den Aufstieg in die 2. Liga regional mehrmals nur knapp, in der vergangenen Saison kam es aber nicht an frühere Leistungen heran. Als Spieler war Stengele 2011 vom FC Küsnacht, mit dem er drei Saisons in der 2. Liga interregional gespielt hatte, zum soeben in die 3. Liga aufgestiegenen SCZ gewechselt, der damals noch vom Trainerduo Alain Merkli und Nicolas Fürer betreut wurde. Als junger Erwachsener hatte Stengele vier Spielzeiten mit seinem Ausbildungsverein FC Seefeld in der 1. Liga sowie zwei weitere in der 2. Liga inter absolviert. Der Gärtnermeister ist heute 31-jährig. (dbü)