In einem intensiven Spiel lag der Sportclub Zollikon am Samstagabend beim FC Männedorf bis zur 82. Minute 0:1 zurück – dann glich erst Tomás Hermida aus, bevor Matteo Felder in der Nachspielzeit das umjubelte 2:1 schoss.

Von Dennis Bühler

 

Das Tor war fünf Meter entfernt, der Goalie bereits bezwungen, der Ball lag perfekt, Renato Lionzo war einschussbereit. Doch der junge Stürmer, der an diesem Samstagabend wegen Personalmangels als Aussenverteidiger nominiert worden war, verzog. Man glaubte, Zollikon hatte in der 92. Minute des Spiels auf dem Männedorfer Fussballplatz Widenbad die letzte Chance ungenutzt gelassen –  die letzte Chance nicht nur in diesem Spiel, sondern auch die letzte Chance, doch noch in die regionale 2. Liga aufzusteigen. Nur kurz vergrub Lionzo den Kopf in den Händen, dann rannte er wieder nach hinten, und auch seine Mitspieler steckten nicht auf, sondern spielten weiter nach vorne, kämpften und rackerten.

Einen letzten langen Ball schlug die Zolliker Abwehr nach vorne. Tomás Hermida, der von einer Zerrung geplagt schon vor Minuten in den Angriff beordert worden war, behauptete den Ball, bevor er 20 Meter vor dem gegnerischen Tor gefoult wurde. Hermida selbst führte den Freistoss schnell aus, passte steil auf Matteo Felder, und der SCZ-Captain bezwang Männedorf Goalie René Lobnik aus kurzer Distanz. Der Jubel der Zolliker war grenzenlos, nicht nur wegen des Sieges an sich, sondern vor allem auch, weil der FC Männedorf endlich mal wieder bezwungen wurde, jener FCM, der sich in den letzten Jahren zum Erzfeind der Zolliker entwickelt hatte: Weil er keine Gelegenheit zur Provokation auslässt, weil er mit Spielertrainer Roger Fegble den wohl unbequemsten, da hinterlistigsten Verteidiger der Liga in seinen Reihen weiss, weil er einen Speaker hat, der den Zolliker Sieg als „auf dubiose Art und Weise zustande gekommen“ bezeichnet, weil er Anhänger hat, die auch mal einen Ball aufs Spielfeld werfen, um die Wiederaufnahme der Partie zu verzögern. Kurzum: Weil er, wie auch ein Blick auf die Fairnesstabelle bestätigt, die unfairste Mannschaft der 3. Liga stellt, die Fussball eher verhindert als zelebriert.

Hart geführte, intensive erste Halbzeit

Doch der Reihe nach. In der 7. Minute kam der FC Männedorf zu seiner ersten Chance: Ein Schuss von der Strafraumgrenze flog, leicht abgefälscht, knapp am rechten Pfosten vorbei. SCZ-Goalie Guy Rämi wäre wohl geschlagen gewesen. Drei Minuten später verfehlte der Zolliker Flügelspieler Sandro Camichel aus der Distanz das Männedorfer Tor, zwei weitere Minuten danach flog ein Kopfball von Verteidiger Severin Oechslin nach einem Eckball von Marco Schärer nur knapp am Gehäuse vorbei. Die grösste Chance der ersten Halbzeit verzeichtneten die Gastgeber in der 17. Minute: Stürmer Pascal Pause war nach einem mustergültig vorgetragenen Konter auf und davon gezogen, zielte alleine vor Rämi aber zu ungenau und schoss knapp links unten am Tor vorbei.

Nach einer halben Stunde kam der SCZ wieder etwas besser ins Spiel: Andrea Schärer preschte über den rechten Flügel vor, passte auf den ersten Pfosten zu Camichel, der zur Mitte weiterzuleiten versuchte – ein Männedorfer Verteidiger konnte in extremis in Corner klären. Zwei Minuten später flankte Andrea Schärer zur Mitte, sein älterer Bruder Marco drosch den Ball mittels Direktabnahme übers Tor.

Das 1:1 als Co-Produktion der Gebrüder Hermida

War die erste Halbzeit noch primär wegen hart geführter Zweikämpfe und einem intensiven Schlagabtausch in der Platzmitte sehenswert, ergaben sich nach dem Seitenwechsel nun auch hochkarätige Torchancen fast schon im Minutentakt. Die erste Gelegenheit nutzten die Gastgeber in der 49. Minute zum Führungstreffer: Severin Lehmann flankte vom rechten Flügel zur Mitte, wo Remo Hämmig höher stieg als seine Gegenspieler und per Kopf über Guy Rämi hinweg ins rechte Toreck traf. In der 53. Minute schoss Matteo Felder aus der Distanz, Lobnik liess nach vorne abprallen, konnte den Ball jedoch im Nachfassen behändigen.

Nach einer guten Stunde wechselte sich FCM-Spielertrainer Roger Fegble selbst aus, weil er nach diversen Fouls akut rotgefährdet war, womit die Ordnung in der Hintermannschaft der Gastgeber etwas verloren ging. Dennoch war es vorerst noch einmal der SCZ, der Glück in Anspruch nehmen musste: In der 64. Minute flog der Ball nach einem Freistoss von der Seite durch den gesamten SCZ-Strafraum, von allen Spielern knapp verfehlt.

Mit der Einwechslung von Fernando Hermida und der Order, vermehrt lange Bälle in die Spitze zu spielen, erhielt der SCZ-Angriff Wucht und Präsenz. In der 73. Minute parierte Lobnik im Nachfassen einen Schuss von Andrea Schärer von der Strafraumgrenze. Neun Minuten später wurde der SCZ für sein kräftezehrendes Spiel endlich mit dem verdienten 1:1 belohnt: Statt wie vom Gegner erwartet weit in den Strafraum, warf Fernando Hermida einen Einwurf quer durchs Mittelfeld, wo sich sein jüngerer Bruder Tomás den Ball mit der Brust vorlegte und aus 25 Metern abzog. Der Ball fand, für Lobnik nicht ganz unhaltbar, den Weg unter die Latte.

Der SCZ spielte – im Wissen darum, dass ihm nur ein Sieg etwas nützen würde – weiter konsequent nach vorne. Als Lionzo in der Nachspielzeit das sichere 2:1 verpasst hatte, hielt man das Vorhaben für gescheitert. Bis Tomás Hermida den Freistoss trat und Matteo Felder doch noch den umjubelten Siegtreffer schoss.

„Wir werden uns noch lange an dieses Spiel erinnern“

Die Zolliker Mannschaft gefiel an diesem Samstagabend mit ihrer Kampfbereitschaft; sie liess sich von der harten Gangart der Männedorfer nicht beeindrucken und hielt dagegen, sie steckte nach dem 0:1 nicht auf, sondern glaubte weiter an sich. Sie zeigte den unbedingten Willen, den man in dieser Rückrunde ab und an vermisst hatte. Goalie Guy Rämi hielt, was er halten musste und dirigierte die Abwehr vorbildlich, die Verteidigung um Renato Lionzo, Tomás Hermida, Severin Oechslin und Christian Stengele liess kaum Chancen zu, im zentralen Mittelfeld waren Matteo Felder und Sebastian Oettli überragend, auf den Flügeln wirbelten Sandro Camichel und Andrea Schärer und waren allzu oft nur durch Foulspiele zu stoppen. Im Sturmzentrum zogen zuerst Sean Winkler und Marco Schärer viel Aufmerksamkeit auf sich und banden Kräfte in der Abwehr der gegnerischen Verteidigung, nach ihren Einwechslungen taten ihnen dies Albert Gubler und Fernando Hermida gleich.

Kurzum: Im zweitletzten Spiel der Saison zeigte die 1. Mannschaft des SCZ, was in ihr steckt. „An dieses Spiel werden wir uns noch in einigen Jahren zurückerinnern“, sagte Co-Trainer Werner Kienle, der wie Cheftrainer Alain Merkli zum Ende dieser Spielzeit zurücktritt. Eine Partie bleibt noch: Am Sonntag, 22. Juni tritt der SCZ beim Tabellendritten in Meilen an. Gewinnt er dieses Spiel, schliesst er die Meisterschaft auf dem zweiten Rang ab – mindestens. Mit dem Sieg in Männedorf hat er den Druck auf den Tabellenführer SV Höngg nämlich nochmals erhöht; dennoch bleiben die Stadtzürcher grosser Favorit auf den Aufstieg in die regionale 2. Liga. Holen sie am kommenden Sonntag gegen den FC Regensdorf zumindest einen Punkt, steht die Promotion fest. Verlieren sie, bleibt ihnen am 22. Juni eine letzte Chance: Auch gegen den FC Egg genügt ihnen ein Zähler.

Telegramm

FC Männedorf – SC Zollikon 1:2 (0:0). Sportplatz Widenbad, 100 Zuschauer.

Tore: 49. 1:0.  82. T. Hermida 1:1. 93. M. Felder 1:2.

SCZ: G. Rämi; Lionzo, T. Hermida, Oechslin, Stengele; Oettli, M. Felder; Camichel, Winkler (70. F. Hermida, 93. Azarnait), A. Schärer; M. Schärer (55. Gubler).

Bemerkungen: Gelbe Karten: 41. M. Felder, 50. Winkler, 50. Fegble, 61. Lehmann, 63. Lionzo, 90. Signer (alle wegen Foulspiels). SCZ ohne Dugandzic, Girod und Y. Rämi (alle abwesend), C. Bühlmann, Hugentobler, Martin, Müller (alle verletzt), Burger, A. Felder, Niederhauser (alle Auslandaufenthalte) sowie F. Bühlmann (nicht im Aufgebot). Hervorragende Schiedsrichterleistung.