Der Verfolger SC Zollikon führt gegen Leader FC Männedorf lange 1:0, muss sich letztlich aber mit einem 1:1-Unentschieden begnügen – aller Voraussicht nach eine zu geringe Ausbeute im Aufstiegsrennen.

Von Dennis Bühler

IMG_5527Die Ausgangslage vor dem 3.-Liga-Spitzenkampf vom vergangenen Dienstagabend war delikat: Sollte der Sportclub Zollikon das Direktduell mit Tabellenführer Männedorf genauso gewinnen wie danach seine zwei verbleibenden Saisonspiele, würde er erstmals seit 26 Jahren wieder in die regionale 2. Liga aufsteigen; sollte hingegen der FC Männedorf die Partie für sich entscheiden, könnte er nach seinem letztjährigen Abstieg in die 3. Liga noch auf dem Zolliker Riet den direkten Wiederaufstieg feiern; bei einem Unentschieden müssten die favorisierten Männedörfler die grosse Party zwar noch vertagen, könnten aber zumindest schon mal den Champagner kalt stellen.

Wer die Gäste aus Männedorf aufgrund dieser Ausgangslage defensiv erwartet hatte, sah sich schnell eines Besseren belehrt: Das Team von Trainer Kurt Kobel hatte in der ersten halben Stunde deutlich mehr vom Spiel. Die Führung zu erzielen aber vermochte es nicht: Erst rutschten nach neun Minuten alle Stürmer der Gelben an einer scharfen Hereingabe von Bojan Jevtic vorbei, dann schoss Elias Roldan nach 25 Minuten aus zehn Metern freistehend knapp übers Zolliker Tor.

IMG_5535-11:0-Führung mit dem Pausenpfiff

Danach übernahmen die Hausherren das Spieldiktat. Ein Distanzschuss von Marko Dugandzic bereitete dem Männedörfler Goalie René Lobnik einige Schwierigkeiten; kurz darauf setzte sich SCZ-Captain Matteo Felder gegen mehrere Gegenspieler durch und passte auf Kevin Spalinger, dessen scharfen Querpass Sandro Camichel im Fallen nur haarscharf verpasste. Als die rund 280 Zuschauer und die 22 Spieler auf dem Platz bereits mit dem Pausenpfiff von Schiedsrichter Samir Ismailji rechneten, fiel doch noch der überraschende, aber aufgrund des Spielverlaufs nicht unverdiente Führungstreffer für den SCZ: Abwehrchef Jure Mioc beförderte den Ball nach einer Freistossflanke Sascha Martins per Kopf ins lange Eck.

Unmittelbar nach dem Seitenwechsel beklagte der FC Männedorf Pech, als der Unparteiische ihm ein Tor wegen angeblichen Offides aberkannte. Danach aber hatte Gastgeber Zollikon die Partie gut im Griff – und war dem 2:0 wiederholt viel näher als die Gäste dem Ausgleich. In der 74. Minute machte Dugandzic einen Konter Männedorfs mit einer spektakulären Grätsche zunichte und leitete damit gleich den neuerlichen Gegenangriff ein: Die folgende scharfe Flanke Severin Oechslins vermochte Andrea Schärer aber nicht aufs Männedörfler Gehäuse zu bringen. Vier Minuten später schoss Felder aus 35 Metern aufs von Lobnik verlassene Tor, der Ball aber segelte ganz knapp drüber.

Zollikon hadert mit dem Schiedsrichter

IMG_StengeleGleich zweimal zog Schiedsrichter Ismailji in der Schlussphase den Unmut des Zolliker Trainers Christian Stengele auf sich. Und tatsächlich: In der 66. Minute war Camichel an der Strafraumgrenze zumindest penaltyverdächtig gefoult worden; und gar glasklar war die Sache, als Joel Fuchs in der 88. Minute von einem Verteidiger daran gehindert wurde, einen von Lobnik nach vorne abgewehrten Schuss zu verwerten.

Die Pfiffe aber blieben aus. Und so kam es wie so oft, wenn zweifelhafte Schiedsrichterentscheide und mangelnde Chancenverwertung zusammenfallen: Quasi im Gegenzug erzielte der FC Männedorf den 1:1-Ausgleich. Der von Trainer Kobel nur fünf Minuten zuvor aufs Feld beorderte offensive Mittelfeldspieler Patrick Nötzli schoss im Anschluss an einen Eckball aus kurzer Distanz aufs Zolliker Tor. Goalie Benjamin Niederhauser war mit den Fingerspitzen zwar noch am Ball, konnte diesen aber nicht mehr um den Pfosten lenken. „Dass so wenig fehlte, ist enorm bitter“, sagte Niederhauser nach Spielschluss geknickt.

Lobniks Glanzparade in letzter Minute

Die Spieler Männedorfs und ihre zahlreich nach Zollikon gereisten Fans hingegen feierten das Tor ausgelassen: Mit Platzstürmen unmittelbar nach dem 1:1-Ausgleich und ein paar Minuten später auch nach dem Abpfiff Ismailjis. Den ungezügelten Jubel definitiv ausgelöst hatte Sekunden zuvor einmal mehr der starke Goalie Lobnik, der einen Schuss von Sebastian Oettli von der Strafraumgrenze in der siebten Minute der Nachspielzeit mirakulös um den Pfosten lenkte.

Der SCZ verpasste somit den Sieg, den er für die Promotion in die 2. Liga aller Voraussicht nach benötigt hatte. Vorzuwerfen muss er sich – neben der erwähnten verbesserungswürdigen Chancenverwertung – vorab mangelnde Cleverness: Die Zolliker Spieler entschieden sich nicht immer für ein Foulspiel, wenn eines sinnvoll gewesen wäre, um vielversprechende gegnerische Angriffe frühzeitig zu unterbinden (die Ausnahme bildeten die Interventionen der Verteidiger Oechslin und Mioc, deren gelbe Karten so gerechtfertigt wie zielführend waren); sie standen nach Foulspielen wiederholt zu rasch auf, statt die Gelegenheit zu nutzen, um den Spielfluss des Gegners zu stören; und sie verpassten es in der Schlussviertelstunde, den Ball länger als ein paar wenige Sekunden in den eigenen Reihen zu halten, und liessen stattdessen Hektik aufkommen.

Einzelbewertung von Niederhauser bis Fuchs

IMG_Riet_PanoramaBesonders positiv hervorzuheben war die Geschlossenheit des Zolliker Fanionteams, das in der Meisterschaft seit der zweiten Spielrunde vom 3. September 2016 ungeschlagen ist: Goalie Niederhauser ersetzte die ferienhalber abwesende nominelle Nummer eins Guy Rämi wie schon im vorherigen Duell gegen Meilen einwandfrei; Oechslin überzeugte defensiv und kämpferisch, konnte offensiv aber wenig Akzente setzen (so verpasste er nach einer knappen Viertelstunde das 1:0, als er von der Strafraumgrenze überhastet und mit Rücklage schoss); Mioc war der unangefochtene Abwehrpatron, der dank seiner Erfahrung und mit seinen lautstarken Anweisungen derzeit unverzichtbar – und offensiv erst noch torgefährlich – ist; Mioc’ Nebenmann De Nard agierte fehlerfrei und gewohnt unauffällig, was für einen zentralen Abwehrspieler wohl dem grössten Lob gleich kommt; Martin wurde in der ersten halben Stunde von seinem schnellen Gegenspieler Roldan zwar das eine oder andere Mal übersprintet, fing sich danach aber gut auf und war insbesondere mit seinen hervorragend getretenen Standardsituationen ein absoluter Gewinn.

Mit Dugandzic agierte der beste Zolliker dieses Dienstagabends vor der Abwehr: Wie der „Staubsauger“ einerseits Angriff um Angriff Männedorfs zunichte machte und gleichzeitig mit feiner Klinge Gegenangriffe einleitete, hatte mindestens 2.-Liga-Format; ähnliches gilt für die beiden grossgewachsenen zentralen Mittelfeldspieler Felder und Oettli, die im Zentrum meist die Oberhand behielten, sowie die Flügelspieler Camichel und Schärer, die mit schnell vorgetragenen Vorstössen immer wieder für Gefahr vor FCM-Goalie Lobnik sorgten. Und auch die beiden eingesetzten Stürmer Spalinger und Fuchs wussten zu überzeugen: Unermüdlich arbeitend verstanden sie sich als vorderste Verteidiger – und hatten doch genügend Kraft, um auch offensiv Ausrufezeichen zu setzen.

„Aufstieg in unseren Füssen“

SCZ-Trainer Stengele war mit der Leistung seiner Spieler folgerichtig trotz des späten Gegentreffers zufrieden. „Wir hätten den Sieg verdient gehabt“, sagte er. „Leider aber trugen wir die Konter in der zweiten Halbzeit zu wenig konsequent und zu ungenau vor.“ Glücklicher war sein Gegenüber: „Die beiden Mannschaften agierten wie schon in früheren Duellen auf Augenhöhe“, analysierte Männedorfs Coach Kobel, der auf die kommende Spielzeit hin zum FC Herrliberg wechselt (und somit so oder so in der 3. Liga verbleibt). „Sie sind taktisch stark und verstanden es, einander gegenseitig den Spielfluss zu zerstören.“ Es verwundere daher nicht, dass die beiden Tore aus Standardsituationen entstanden seien.

Die Tabellensituation präsentiert sich für den FC Männedorf zehn Tage vor der letzten Runde komfortabel: Selbst wenn Zollikon seine letzten zwei Partien gewinnen sollte – am kommenden Sonntag empfängt es um 13.30 Uhr den FC Wetzikon auf dem Riet, am 18. Juni spielt es auswärts auf dem Fussballplatz Lengg um 10.15 Uhr gegen den FC Seefeld –, genügt Männedorf in seiner einzigen noch zu spielenden Partie ein Punkt beim FC Fällanden. Dieses war mit grossen Ambitionen in die Saison gestartet, avancierte aber zur grossen Enttäuschung der Liga: vorgestern Dienstag unterlag es zuhause gar dem Tabellenletzten Racing Zürich 1:3. Ist Männedorf nun also bereits mit neun von zehn Zehen aufgestiegen, Kurt Kobel? „Zumindest liegt der Aufstieg in unseren Füssen.»

Telegramm

SC Zollikon – FC Männedorf 1:1 (1:0).

Riet. 280 Zuschauer. SR: Samir Ismailji.

Tore: 45. Mioc 1:0. 90. Nötzli 1:1.

SCZ: Niederhauser; Oechslin, Mioc, de Nard, Martin; Dugandzic; Camichel (83. Lionzo), Oettli, Felder, Schärer; Spalinger (60. Fuchs).

FCM: Lobnik; Schmid, Meier (75. Tschirky), Böhler, Strebel; Roldan (61. Carbonaro, 85. Nötzli), Hämmig, Signer (71. Schneeberger), Jevtic (71. Schneider); Bajrami (52. Pause), N. Bochicchio.

Bemerkungen: SCZ ohne Y. Rämi (gesperrt), Glarner (verletzt), Gubler (Aufbautraining) sowie Montezin und G. Rämi (beide abwesend). Beim SCZ nicht eingesetzt: Bühlmann, Hermida, Schmid. FCM ohne M. Bochicchio, L. Billeter, Ehrenberg, Gasser und Weber (alle verletzt) sowie M. Billeter und Rodrigues (beide abwesend). Gelbe Karten gegen Spalinger (26., Foul), Signer (42., Foul), Schmid (44., Foul), Oechslin (52., Foul), Mioc (77., Foul), Dugandzic (93., Reklamieren).